Nixe und Schäfer küssen sich

Der Schäfer und die Nixe

Es gibt wirklich noch viele Sagen von den Nixen der Saale, die sich an allen Orten des hellen Saalestrandes erzählt werden. Dafür gehen wir heute mal von der oberen Saale runter zum Unterlauf. Genauer gesagt nach Wettin.

Wettin liegt etwas nördlich von Halle und war der Geburtsort des Adelsgeschlechts der Wettiner, die bis 1918 in Sachsen und Thüringen herrschten.1 Heute soll es aber nicht um die Wettiner gehen, sondern um die Saalenixe. Denn hier erzählt man sich eine erstaunliche Geschichte von einem Schäfer, der sogar eine Nixe geheiratet hat.

Die Sage

Ein junger Schäfer aus Wettin hütete seine Schafe auf den Weiden an der Saale. Da sah er in den Fluten eine wunderschöne Nixe, die mit den Wellen spielte. Der Schäfer war sofort hin und weg von der Wasserschönheit und verliebte sich Hals über Kopf in sie. Auch die Nixe war nicht abgeneigt und so lockte sie ihn zum Ufer. Als er dann den Fluss erreichte, teilte sich das Wasser vor seinen Füßen, wie einst bei Mooses das Rote Meer. So kamen sie sich schnell näher und umarmten sich schließlich in innigster Liebe.

Nach einigen Schäferstündchen mit der Nixe, hielt er um ihre Hand an. Die Nixe willigte freudig ein. Da aber die Heirat zwischen einer Nixe und einem Mensch nicht das Einfachste von der Welt war, erklärte sie ihm die Regularien: „Du musst dich ein Jahr von mir fern halten. Nutze die Zeit zum Bedenken! Wenn du mich nach einem Jahr immer noch willst, dann komme wieder hier her“.

Nach einem Jahr glühte seine Liebe immer noch wie am ersten Tag und so führte ihn sein Weg zurück ans Saaleufer, wo die Nixe schon wartete. Sie führte ihn in die Tiefe des Grundes, wo sie in einer geräumigen Halle wohnte. Alles war fast so wie im Reich der Menschen, nur die kühle neblige Feuchte und das graue Dämmern des Flussgrundes ließ ihn ein wenig ergrauen.

Es gefiel den Schäfer bei seiner Nixe und über die Jahre bekamen die beiden sogar einen Sohn. Allerdings schlich sich beim Schäfer nach und nach eine Sehnsucht nach dem Erlebten auf der Erde ein. Die Nixe spürte das und beschloss ihn Urlaub vom Leben unter Wasser zu geben. Erneut gab sie ihn Instruktionen mit auf den Weg, um die Wut ihres Vaters des Nixenkönigs zu vermeiden: „Du hast drei Tage Zeit um alle deine Freunde wieder zu treffen, kehrst du nach drei Tagen nicht zurück, wird die Rache meines Vaters furchtbar sein!“

Also machte er sich auf den Weg. Er traf seine Freunde, sein Dorf und seine alte Herde. Als ihn sogar seine Hunde wiedererkannten und mit freudigen Bellen an ihm hochsprangen, war ihn unendlich wohl. So wohl, dass er beschloss nicht mehr zu seiner Nixe zurückzukehren. Er wusste, dass er sich von nun an von allen Wassern fern halten musste, egal ob Saale, See oder Teich. Sogar die Brunnen mied er. Eines Tages aber plagte ihn in der Sommerhitze so ein großer Durst, dass er sich zu einer kleinen Pfütze runterbeugte, die das nächtliche Gewitter hinterlassen hat. „Hier kann es nicht schaden, das kleine Pfützchen“ dachte er. Aber als er mit seinen Lippen das Wasser berührte, spürte er plötzlich eine riesige Last in seinem Genick, die ihn unentrinnbar unter Wasser drückte. Er ertrank.

Doch bevor er starb, stand er wieder zu Hause bei seiner Nixe. Da sich die Zeit unter Wasser anders anfühlt, war der Nixe nicht bewusst, dass schon viel mehr Zeit, als drei Tage vergangen war. Aber sie sah sofort, dass etwas nicht stimmte. Er war so blass und sagte kein Wort. Erst als sie fragte was denn los sei? Antwortete er: „Ich wollte nicht zurückkommen, weil es auf der Erde so wunderschön ist.“ Darauf hin hörte er nur noch das tiefe und herzzerreißende Seufzen seiner Frau und starb.

Die Nixe aber lebte weiter. Sie sah ihren Sohn heranwachsen, aber nie wieder hörte man irgendein Gesang von ihr. Nicht über Wasser und auch nicht unter Wasser2 3 4

Naturgeist und Mensch

Aber im Grunde ist das keine Geschichte, die es nur an der Saale gibt. Denn es existieren viele dieser Sagen und Überlieferungen, die von sexueller Vereinigung und jahrelangen Ehen zwischen Naturgeistern und Menschen berichten. In diesen Verbindungen bestreiten schöne weibliche Geister den weiblichen Part und den männlichen ein Mensch. Seltener ist die Rollenverteilung andersherum, also zwischen männlichem Naturgeist, zum Beispiel dem Wassermann, und weiblichem Mensch. Ehen kommen dann erst nach dem Versprechen der Einhaltung von bestimmten Tabus zustande, wie das in dieser Sage der Fall war.5

Eine Sage aus Oberösterreich

Es gibt aber auch andere Beispiele von Tabubrüchen mit anderen Folgen. So hat Beispielsweise ein Burgherr von Falkenstein in Oberösterreich das von seiner Frau gesetzte Tabu gebrochen. Denn Othmar von Falkenstein brachte sich vom Rhein eine Wassernixe mit. Er ehelichte sie unter der Bedingung, dass sie sich zur Vollmondzeit ungestört zurückziehen könne, dafür stand ihr in der Burg Falkenstein der mächtige einsame Wasserturm zur Verfügung.
Nach einiger Zeit kamen Verleumdungen und böse Gerüchte über die Frau auf. Deswegen ließ sich der Falkensteiner dazu hinreisen sie in jener Vollmondzeit zu belauschen. So hörte und sah er, wie sie als Nixe in die Fluten tauche. Von da an musste die Nixe von dannen und ward nie wieder gesehen.5

Die Melusine

Dieser Fall erinnert sehr stark an eine sehr berühmte Sagengestallt, die Melusine. Diese Melusine war eine mythische Sagengestalt des Mittelalters. Auch hier ehelichte ein Ritter die Melusine unter der Bedingung eines speziellen Betrachtungstabus. Er durfte sie ebenfalls nicht in ihrer wahren Gestalt als Wasserfee mit Schlangenleib sehen. Hier wird Melusine außerdem noch zur Quelle seines Ansehens und Reichtums. bis der Ritter das Tabu bricht. Denn auch sie verschwindet und in der Folge verliert der Ritter viel von seinem Glück und Ansehen.6

Es geht auch umgekehrt

Sagen und Überlieferungen sind nicht nur auf die Kombination Nixe und Mann reduziert. Es gibt auch die Wassermann-Frau-Ehe. So sind aus Bayern diese Geschichten bekannt: Die schöne Lilofee kehrt aus dem Wasser in die Welt der Menschen zurück und würde gern dort bleiben. Sie allerdings geht wieder zurück zu ihrem Wassermann, weil sie ihre Kinder im tiefen See nicht verlassen will. In der anderen Geschichte weigert sich die schöne Dorothee allerdings, mit dem Wassermann in den See zurückzukehren, trotz der sieben Kinder, die dort auf sie warten. Daraufhin tötet sie der Wassermann. Die Namen Lilofee und Dorothee sind im Übrigen kein Zufall, denn beide Geschichten sind als Lieder übermittelt, wobei sich beide Namen sehr gut auf See reimen. Interessant ist auch der Anfang der Lieder, denn die beginne beide mit „Es freit ein wilder Wassermann..“ 5

Neben diesen Liedern gibt es aber auch viele Sagen, in denen sich der Wassermann eine menschliche Frau nimmt. Dabei gibt es ein bestimmtes Muster. So werden Ehen zwischen Menschen und Nixen meist freiwillig eingegangen, während Wassermänner eine Ehe zu einer Menschenfrau nur unter Zwang erreichen können.7

Die Mahrtenehe

Die Verbindung zwischen Mensch und überirdischen Wesen gibt es so oft in Überlieferungen, dass dafür ein sogar ein eigener Begriff geprägt wurde, die Mahrtenehe. Dabei wird Begriff die Mahrte oder einfach Mar vom mittelhochdeutschen Wort maere, so wie wir das in Mär oder Märchen kennen, hergeleitet. Eine andere Herleitung geht von einem überirdischen Wesen in menschlicher oder menschenähnlicher Gestalt aus. Wir finden das im englischen nightmare und im altdeutschen Nachtmahr wieder. Beides bezeichnet nichts anderes als den Albtraum ist.8 Es heißt dabei, das Motiv der Mahrtenehe bezeichnet die erotisch-sexuell motivierte Liebesbeziehung oder Ehe einer menschlichen Person mit einem überirdischen Wesen. Diese ist an die Beachtung eines Verbots beziehungsweise eines Tabus gebunden.8 So wie wir das in unserer Sage wiederfinden.

Blick in die Antike

Schauen wir uns ein wenig in den Mythologien um, dann stellen wir fest, Verbindungen zwischen Mensch und überirdischen Wesen kennt man schon in der Antike. Die Sagenwelt der alten Griechen kennt die Geschichte der Semele, die an die Geschichte der Melusine erinnert, allerdings in umgekehrten Rollen. Semele ist hier die menschliche Tochter der Göttin der Eintracht, Harmonia, und des Königs Kadmos.9 Semele ging eine Beziehung mit Zeus ein, der ihr nur in menschlicher Gestalt begegnete. Durch Hinterlist wurde Semele dazu gebracht, Zeus zu bitten ihn in seiner wahren Gestalt zu sehen. Da kein menschliches Wesen die wahre Gestalt von Zeus sehen darf, starb Semele bein Anblick des wahren Zeus.6

Wir werden auch in der Odyssee fündig

Wir sehen, die Vorstellung einer Verbindung zwischen einem Menschen und einem göttlichen Wesen hat schon immer die Fantasie der Menschen beflügelt. Dabei geht es meist um die Aufwertung des Menschen in der jeweiligen Geschichte. Manchmal geht das so weit und unterstreicht den Heldenstatus des Menschen. Wie etwa bei Odysseus. Der auf seiner Irrfahrt  sieben Jahre bei der Meernymphe Kalypso verbringt. Sie war eine Tochter des Titanen Atlas und der Pleione und lebte auf der sonst unbewohnten Insel Ogygia.10 Kalypso empfing Odysseus freundlich, machte ihn zu ihrem Geliebten und teilte mit ihm das Bett.10

Eine Mahrtenehe ist eine verzwickte Sache

Insgesamt werden solche Mahrtenehen in der Antike positiv gesehen. Allerdings kamen sie selten zu einem glücklichen Ende, da solche Verbindungen mit all ihren Tabus schon immer als sehr verzwickt angesehen wurden. Im Mittelalter, als das Christentum mit seinen Moralvorstellungen Einzug hielt, verstärkte sich der Fokus auf dem bösen Ende. Man konnte immer den erhobenen Zeigefinger sehen, der vor der Verlockung und der Sünde warnte.

Moderne Interpretationen

Und schließlich beschäftigte sich in jüngster Zeit auch die Wissenschaft mit der Interpretationen dieser Mahrtenehen. Hier wurden dann psychoanalytische, politische und feministische Ansätze gewählt. Dabei wurde die Mahrtenehe so interpretiert, dass sie die Unterdrückung der Frau im Mittelalter symbolisiert. Andere Deutungen sehen eine Dämonisierung der Frau im Spätmittelalter.6

Zwei Seiten einer Medaille

Natürlich kann man da viel hineininterpretieren. Fakt ist aber, die Mahrtenehen gab es mit beiden Kombinationen. Vielleicht kann man es eher in die Richtung deuten, dass wenn man das eine will, das andere unweigerlich dazu bekommt. Wenn man das in die heutige Zeit übersetzt, dann möchte die Frau vielleicht einen Rockstar heiraten und ein Mann vielleicht ein Model. Natürlich ist das ein schöner Wunsch, aber man bekommt dazu die ständige Öffentlichkeit, mit Paparazzi und Fans. Da würden sich nicht wenige ihr altes ruhiges Leben zurückwünschen, genauso wie unser Schäfer das tat. Deswegen der Tipp: Seit vorsichtig beim Wünschen, denn es könnte wahr werden!

Die Sage wurde auch besungen

Diese Sage hat bei den Menschen sehr viel Eindruck hinterlassen, deshalb wurde diese Geschichte auch besungen.11 12

Verweise
  1. „Haus Wettin“, in Wikipedia, 2. April 2021, https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Haus_Wettin&oldid=210484276 []
  2. „Sagen (SOS-Halberstadt)“, zugegriffen 15. April 2021, https://www.sos-halberstadt.bildung-lsa.de/sagen/ []
  3. Zeno, „Literatur im Volltext: Emil Sommer: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen 1. …“, zugegriffen 15. April 2021, http://www.zeno.org/Literatur/M/Sommer,+Emil/M%C3%A4rchen+und+Sagen/Sagen,+M%C3%A4rchen+und+Gebr%C3%A4uche+aus+Sachsen+und+Th%C3%BCringen/Sagen/38.+Die+beleidigte+Nixe []
  4. Andreas Wehlmann, „Willkommen in Alsleben an der Saale!“, Collection, Alsleben eine alte Schifferstadt an der Saale (Andreas Wehlmann), Alsleben, zugegriffen 25. Mai 2020, http://www.alsleben-saale-online.de/de/Wirtschaftliches-aus-Alsleben/Geschichte/Alsleben-und-die-Saaleschifffahrt-05 []
  5. Gertrud Scherf, Nixen, Wichtlein, Wilde Frauen: Eine Kulturgeschichte der Naturgeister in Bayern, 1. Aufl. (Allitera Verlag, 2018) [][][]
  6. „Melusine“, in Wikipedia, 4. April 2021, https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Melusine&oldid=210555955 [][][]
  7. Blue Moon Coven, „Undinen, Nixen, Wassermänner – Zweiter Teil“, zugegriffen 7. April 2021, http://www.gardnerian.de/artikel/shalima/nixen2.htm []
  8. „Mahrtenehe“, in Wikipedia, 9. Januar 2021, https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Mahrtenehe&oldid=207444070 [][]
  9. „Semele (Mythologie)“, in Wikipedia, 1. April 2021, https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Semele_(Mythologie)&oldid=210427047 []
  10. „Kalypso (Mythologie)“, in Wikipedia, 31. März 2021, https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kalypso_(Mythologie)&oldid=210426664 [][]
  11. „Die Saalenixe – Thomas Kolitsch“, zugegriffen 15. April 2021, http://mermaidmania.de/gedichte/kolitsch_die-saalenixe.php []
  12. Bube Dame König – neue Folkmusik, BUBE DAME KÖNIG – Saalenixe (Musikvideo), 2015, https://www.youtube.com/watch?v=K-tR7BgDpW4 []

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